Feindbilder bei der Polizei?

Wenn von Ratten und Kohlensäcken die Rede ist...

Die Kritischen PolizistInnen haben die Wirkung von Feindbildmechanismen innerhalb der Polizei des öfteren thematisiert. Wir haben anhand konkreter Fälle, die ähnlich gelagert immer wieder vorkommen, den Finger in die offene Wunde gelegt und damit ein Tabu gebrochen.

„SEK-Beamte schlugen zwei junge Männer brutal zusammen“, „Polizei prügelt“, „Immer häufiger werden Fotojournalisten zu Opfer“, „Knüppelorgien bestätigt“, „Mißhandlung in der Polizeizelle“.

Solche und ähnliche Pressemeldungen erregen immer wieder die öffentlichkeit. Nur selten kommt es aber zu einer konstruktiven Aufarbeitung derartiger Vorfälle - letztlich, weil nicht sein kann, was nicht sein darf! Schnell berufen sich offizielle Stellen auf laufende Ermittlungsverfahren, wenn sie „Kein Kommentar“ abgeben.

Das Leben in einer Gefahrengemeinschaft wie der Polizei bringt es mit sich, dass es häufig zum „Schulterschluß“ kommt, wenn Kritik von außen als Bedrohung erlebt wird (vgl. den Abschnitt Kontrolle der Polizei). Rechtsbrecher ist immer der andere, niemals der Polizeibeamte! Schließlich bekamen wir schon in der Ausbildung beigebracht, dass wir etwas besonderes sind, weil wir den demokratischen Rechtsstaat gegen das Böse schützen. Schnell führt gruppendynamischer Druck in einer Wachdienstgruppe oder in einer geschlossenen Einheit zur Abwehrhaltung, die ggf. auch rechtswidriges Verhalten von KollegInnen deckt.

Die Polizei wird an den Nahtstellen der Gesellschaft tätig, hat also naturgemäß mit Randgruppen oder kritischen Minderheiten zu tun. Dies kann sich auf Dauer psychisch belastend auswirken, so dass das „polizeiliche Gegenüber“ sehr bald als Bedrohung per se empfunden wird - es wird zum „Störer“. Mitunter gewinnen Außenstehende den Eindruck, dass nicht die Rechtsordnung, wohl aber die Ruhe des Polizeibeamten „gestört“ worden ist. So erklären sich z.B. übergriffe auf Journalisten, die nur ihrer (wichtigen) Arbeit nachgehen wollen. Demonstranten werden schnell zum „Chaotenpack“ erklärt, weil das freie Wochenende geplatzt ist. Punks müssen sich schon mal als „Ratten“ bezeichnen lassen. Und unerträglich wird es, wenn einige PolizistInnen ihre Vorurteile und ihren Haß an ausländischen BürgerInnen ausleben, von „Kohlensäcken“ sprechen, wenn sie Afrikaner meinen.

Einer der Hauptgründe für polizeiliche übergriffe liegt in einem mangelhaft ausgeprägten demokratischen Rollenverständnis. Es gibt immer noch zuviele BeamtInnen, die ein diffuses, an den Obrigkeitsstaat erinnerndes Polizeiverständnis in sich tragen (vgl. den Abschnitt Polizeigeschichte) und so zwangsläufig mit widersprechenden BürgerInnen aneinandergeraten.

Tägliche Polizeiarbeit wird kaum aufgearbeitet, Methoden wie z.B. Supervision sind innerhalb der Polizei noch weitgehend exotische Fremdworte. In einigen Bundesländern angebotene Konfliktbewältigungsseminare für PolizeibeamtInnen sind begrüßenswerte Ansätze - mehr aber auch nicht.

Das Ausmaß von polizeilichen übergriffen, die sich auf vorhandene Feindbilder zurückführen lassen, hängt nicht zuletzt davon ab, welches Rollenverständnis PolizistInnen in der Aus- und Fortbildung vermittelt wird. Entscheidend ist auch, wie sich das Verhalten von Innenministern und Politik auswirkt, wenn sie sich ungeprüft vor „ihre Polizei“ stellen. Wir PolizistInnen vergessen sehr schnell, dass wir nicht umfassenden Einblick in die Verhältnisse bekommen, weil wir in unserem täglichen Dienst sehr viele negative Seiten der Gesellschaft kennenlernen. So entwicklen wir ein Scheuklappendenken, das sehr schnell zu einem stigmatisierenden Verhalten führt. Deshalb gilt es immer wieder unser Verlaten mit Hilfe von anderen zu überprüfen . Nicht Kameraderie und Korpsgeist dürfen unseren Berufsalltag prägen sondern ein kollegiales Miteinander, zu dem auch gehört, dass wir unsere KollegInnen auf Fehlverhalten ansprechen.