Grundsatzpositionen

Gründung im Juni 1986

Im Zuge der Ereignisse um die Großdemonstration gegen das Atomkraftwerk Brokdorf und dem sich anschliessenden „Hamburger Kessel“ im Juni 1986 gründeten einige Polizistinnen und Polizisten eine Arbeitsgemeinschaft kritischer Polizisten, das HAMBURGER SIGNAL. Die Gründungsmitglieder waren durch die Einsätze unterschiedlichst persönlich betroffen:

Sie waren selbst eingesetzt oder befanden sich auf der „anderen Seite“. Einige Freunde und Bekannte von ihnen wurden im „Kessel“ festgehalten. Aus dieser persönlichen Betroffenheit heraus verfaßten sie die folgende Gründungserklärung der „Kritischen“:

Hamburger Polizisten verstehen sich als Anlaufstelle für kritische Kollegen

Heute, am 30. Juni 1986, haben sich Bedienstete aller Sparten der Hamburger Polizei zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammen gefunden. Aktueller Anlaß ist das Vorgehen der Polizei bei Demonstrationen in Brokdorf, Kleve und Hamburg am 7. und 8. Juni 1986.

Aus der langjährigen Diensterfahrung der meisten von uns bringen wir einiges an Verständnis für die Schwierigkeiten polizeilichen Handelns bei teilweise unfriedlichen Großveranstaltungen mit. Aber gerade die Polizei muss als Instrument des Rechtsstaates gesetzmäßig handeln.

Wir wollen durch Aktionen dazu beitragen, dass das Anforderungsprofil an die Polizei mit der tatsächlichen Berufsausübung zur Deckung kommt. Polizei soll Gefahren abwehren, nicht sie produzieren, und Straftaten aufdecken, nicht sie begehen.

Darüber hinaus sehen wir in dem derzeitigen Klima gegenseitiger Aufrüstung und rapider Gewalteskalationen die Gefahr, dass sich derartige übergriffe in gleicher oder gar größerer Intensität wiederholen könnten.

Wir wünschen, dass die Verwirklichung von Grundrechten in diesem Staat für jeden möglich ist und die Polizei sich an einer liberalen Interpretation der Grund- und Menschenrechte orientiert, um jeglichen Vergleich zu totalitären Regimen auszuschließen.

Wir wollen hierzu unseren Beitrag leisten, indem wir Veranstaltungen durchführen. Wir wollen inhaltlich zu bestimmten Problemfeldern, Verschärfung des Demonstrationsrechtes, Innerdienstliche Demokratie, Organisation der Polizei, Aus- und Fortbildung in der Polizei, Berufsbild und vieles andere mehr diskutieren, arbeiten, uns auch öffentlich zu Wort melden und die Diskussion in die Polizei hineintragen.

Wir wollen für die vielen kritischen Kollegen innerhalb der Hamburger Polizei Anlaufstelle sein. Wir wollen eine Atmosphäre schaffen, in der wir zwangsfrei diskutieren können. Wir wollen uns auch gegenseitig durch Informations-, Wissens- und Erfahrungsaustausch festigen.

Wir sind der Meinung, dass anläßlich der Einsätze am 7. und 8. Juni 1986 in Brokdorf, Kleve und Hamburg der Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit in einer ganzen Reihe von Fällen nicht zur Anwendung gekommen ist.

Wir fragen uns, ob die politische Führung durch die polizeiliche Führung gelenkt wird, oder ob die politische Führung eine "harte Linie" bei der Hamburger Polizei durchsetzen und dabei die zukünftig zu erwartenden Konfrontation für sachfremde Zwecke nutzen möchte, oder die polizeiliche und politische Führung unbedarft die Ergebnisse der Einsätze bewirkt haben.

Innerhalb des Dienstes können wir nur auf die Rechte und Pflichten nach dem Hamburgerischen Beamtengesetz - hier: die Pflicht zur Beratung und Unterstützung von Vorgesetzten - beschränken. Diesen Beschränkungen unterliegen wir als Staatsbürger zum Glück lediglich eingeschränkt. Wir wollen versuchen, eine ehrliche und kontinuierliche Arbeit zu leisten, um uns des öfteren in die öffentliche Diskussion einzuschalten und Auswüchse, wie in der vergangenen Zeit vorgekommen, verhindern zu helfen.

Um es ganz klar zu machen, wir alle stehen zu unserem Beruf, haben ihn aus Überzeugung ergriffen und wollen ihn aus Überzeugung weiter ausüben.

Frankfurter Rundschau, 14. Juli 1986